Demo mit dem Büdnis gegen Rechts am 08.02.2025 | ᐸ ᐳ ᐱ |

Die FlüBo engagiert sich beim Bündnis gegen Rechts und Petra Lippegaus von der FlüBo hält eine Rede.
Ich möchte Euch eine Erfolgsgeschichte erzählen – eigentlich.
Vor ca. 10 Jahren war ich beruflich mit einer russischen und kasachischen Delegation in Kasachstan.
Abends wurde groß gefeiert und bei jedem Glas ein Toast ausgebracht. An diesem Abend auf das Vaterland, die Schönheit der russischen Frauen, den Patriotismus – jetzt war ich an der Reihe.
Ich atmete tief durch und sagte: „Ich bin 15 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg geboren. Es gab keinen Grund stolz auf mein Vaterland zu sein, sondern Schuld und Verantwortung für Krieg, für Tod, für Flucht und Völkermord.
Jetzt – 2015 - erleben Menschen in Syrien und anderen Ländern Krieg, Folter, Tod und Vertreibung. Deutschland nimmt Geflüchtete auf, heißt die willkommen, die unseren Schutz, unsere Hilfe und unser Mitgefühl brauchen. Jetzt kann ich sagen: Ich bin stolz auf mein Land.“
Ich stieß also an auf unsere Kanzlerin Angela Merkel, die die Grenzen geöffnet und gesagt hatte: „Wir schaffen das“.
Willkommenskultur
Auch im Kreis Paderborn, in Borchen kamen viele Menschen aus Syrien und anderen Ländern an. In der damaligen Stimmung der Willkommenskultur begrüßten Ehrenamtliche die Neuankommenden, hörten zu, machten Mut, begleiteten sie, besorgten das, was für den Neustart nötig war.
Aus drei verschiedenen Initiativen bildeten Menschen die Flüchtlingshilfe Borchen, die FlüBo. Anders als an den meisten Orten hat die Arbeit der FlüBo bis heute Bestand. Ehrenamtliche, die im Dorf jeden kennen, stellten ihre eigenen Kontakte zur Verfügung und öffneten Türen zu Arbeitgebern und Vermietern. Patenschaften und Freundschaften entstanden und halten zum Teil bis heute. Strukturen wurden aufgebaut: Beratungsangebote, Sprachkurse und Gelegenheiten der Begegnung wie VHS-Kurse, Kulturangebote und vieles mehr.
Erfolgsmodell
Borchen ist ein Erfolgsmodell. Über 80 % der ca. 300 ehemals Geflüchteten sind in Ausbildung und Arbeit, darunter selbstständige Apotheker, Ausbilder, IT-Fachkräfte Altenpflegerinnen. 2015 kam ein junger Mann - allein aus Syrien in Borchen an und wurde von der FlüBo unterstützt. Heute ist er der Sozialarbeiter der Gemeinde Borchen für die Integration Geflüchteter und einer der wichtigsten Kooperationspartner. Er wäre gerne mit mir hier gewesen, war aber leider verhindert.
Hinter den Erfolgen stehen oft große Herausforderungen für die Menschen mit Fluchterfahrung, Angst vor abgelehnten Asylanträgen, vor Abschiebung, Arbeitsverbote oder Absagen bei Bewerbungen, vor allem große Schwierigkeiten eine eigene Wohnung zu finden. Auch wer mit oft erheblichem Aufwand eine Ausbildungsstelle, gute Arbeitgeber und nette Kollegen gefunden hat, muss die Berufsschule schaffen, meist zusätzlich Stützunterricht und private Nachhilfe nehmen. Wie soll man als Bäckerazubi ohne Führerschein nachts in den anderen Ort zur Backstube kommen? Mit Hilfe von Ehrenamtlichen, die eine Familie finden, bei der der junge Mann aus Guinea vor der Arbeit ein paar Stunden schlafen kann.
Das zeigt: Integration ist harte Arbeit und oft ein Gemeinschaftswerk von vielen.
Erfolgsfaktoren
Einen Leuchtturm mit Strahlkraft über Borchen hinaus stellt das Stephanushaus der ev. Stephanusgemeinde dar. Die Pfarrerin hat mit vielen anderen ein Zentrum der Flüchtlingsarbeit geschaffen, das Geflüchteten Schutz und ein Zuhause auf Zeit bietet. Einmal im Monat feiern wir dort ein Fest der Begegnung, Spaghettissimo. Manchmal kommen Nachbar*innen, manchmal Ratsvertreter*innen. Auch gestern. Auch aus der CDU. Das hat mich besonders gefreut.
Ein besonderer Erfolgsfaktor ist darüber hinaus die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Borchen. Bürgermeister Uwe Gockel wertschätzt unsere Arbeit, ermöglicht vieles und teilt das Ziel, in Borchen Integration zu einem Erfolg zu machen. Wenn nötig, greift er selbst zum Telefon. In der Gemeinde ist ein funktionierendes Netzwerk Haupt- und Ehrenamtlicher gewachsen. Alle gemeinsam haben letztes Jahr ein visionäres Integrationskonzept für die Gemeinde Borchen erarbeitet.
Gesellschaftliches Klima
Erfolgreiche Integration ist abhängig von hilfsbereiten Menschen, von guten Strukturen und förderlichen Bedingungen. Aber auch vom gesellschaftlichen Klima.
Nicht nur mich erreichen in der letzten Woche Nachrichten voller Angst. Eine Freundin aus dem Irak mit guter Integrationsperspektive fragt: „Nach den Ereignissen gestern im Parlament bin ich besorgt und weiß nicht was passieren wird. Wird Deutschland mich ins Gefängnis stecken und abschieben?“
Wir sagen nein! Furchtbare einzelne Ereignisse dürfen nicht zu polemischen Generalverdacht gegen Schutzsuchende und Hetze gegen Migration führen. Stattdessen brauchen wir ein neues WIR, eine neue gesellschaftliche Debatte des Miteinander. Wir brauchen eine Politik, die Beratungsangebote für Geflüchtete nicht abbaut, sondern gute Bedingungen für Integration, für haupt- und ehrenamtliche Migrationsarbeit schafft.
Borchen zeigt: Integration kann gelingen. Gerne würde ich optimistisch bleiben: Wir schaffen das. Und einen Toast ausbringen auf die Schönheit der Vielfalt, auf Solidarität und Menschlichkeit.