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Bericht über mein Leben in diesem Land von Barry Alhussain

  

Wenn ich heute meinen Bericht schreibe über mein Leben in diesem Land, dann danke ich Gott, der mir mein Leben geschenkt und mich in dieses Land geführt hat. Bevor ich berichte, erlaube ich mir, meinen herzlichen Dank an alle zu richten, die mich begleitet und unterstützt haben in diesen sieben Jahren in Borchen, besonders an Sabine Sarpe, ohne deren Unterstützung ich heute diese Zeilen nicht an Sie richten könnte.

Mein Name ist Alhoussainy Barry, normalerweise werde ich bei meinem Nachnamen „Barry“ gerufen. Das ist etwas ungewöhnlich in diesem Land. Aber ich ziehe es aus zwei Gründen vor, bei diesem Namen genannt zu werden: Erstens erinnert mich dieser Name immer an meine Herkunft, das ist der Volksstamm Fulbhe aus Fouta Djallon, wo die Barry-Familie die NACHFAHREN DES GROSSEN Königs (Almamy) sind. Der zweite Grund ist der, dass es für viele einfacher ist, die Probleme mit der Aussprache meines Vornamens hätten.

Nachdem ich mein Lehramts-Studium  in meinem Heimatland, Guinea, als Lehrer beendet hatte, habe ich sofort angefangen, als Lehrer an Privatschulen und Nachhilfe zu unterrichten. 2009, nach dem Militärputsch in Guinea wurde ich im Rahmen eines militärischen Projektes von der Regierung als Englisch-Französisch-Übersetzer angeworben, ohne selbst zu wissen, dass es sich um ein geheimes Unternehmen handelte, mit dem ein weiterer Umsturz gegen eine kleine Bevölkerungsgruppe durch die Regierung geplant war. Dieser Plan stellte sich als fatal für mein Heimatland heraus, da hier eine kleine Gruppe von Milizen plante, die Macht an sich zu reißen. Sie töteten bei einem Massaker im Stadion der Hauptstadt Conakry 150 Menschen und missbrauchten viele der Frauen. Dieser Aufstand scheiterte letztendlich, aber anschließend versuchten sie, alle Mitwisser ihrer Tat zum Schweigen zu bringen. Da ich durch meine vorherige Dolmetschertätigkeit in diesem militärischen Lager alle Akteure kannte, wurde auch ich mit dem Leben bedroht.
 

Darum entschloss ich mich, das Land zu verlassen und bin im Januar 2013nach Deutschland gekommen, um hier politisches Asyl zu erbitten. Nach einigen einsamen Monaten in der Dörenhagener Straße 7 klopfte die vorherige Pfarrerin, Christel Weber, begleitet von Heike, Maria und Maria, an meiner Tür. Sie stellte sich mir vor: „Ich bin Christel!“ Da ich kein Wort Deutsch verstand, antwortete ich: „Ich bin Moslem!“ Darüber kann ich auch heute noch jedes Mal herzlich lachen, wenn ich mich daran erinnere. Von da an standen mir die Türen in Borchen offen. Ich wusste vorher, dass sich mein Leben radikal verändern würde, wenn ich meine Familie, meine Freunde und mein Heimatland verlasse – warum dann nicht auch mein ganzes Schicksal?

Nach einigen Monaten in  Borchen ohne die Erlaubnis, zu arbeiten oder sich fortzubewegen außerhalb Paderborns habe ich als gärtnerische Hilfskraft an der Altenauschule gearbeitet. Außerdem habe ich ehrenamtlich Französisch für Erwachsene im Stephanus-Haus unterrichtet. Meine „Schüler“ werden sich erinnern: Für mich war es eine unglaubliche Erfahrung mit Euch. Danach habe ich den Kontakt mit der Rudolf-Steiner-Waldorfschule in Schlss Hamborn hergestellt und auch dort, diesmal als Klassenhelfer, diese schöne Sprache unterrichtet. Die Schüler*innen haben mich vom ersten Tag an akzeptiert und mitgeholfen, meine ersten deutschen Sätze zu formulieren. 2016 habe ich an einer einjährigen Einstiegsqualifizierungsmaßnahme als Bürokaufmann bei der IHK-Akademie in Bielefeld teilgenommen. In dieser Zeit habe ich Kommunikationstraining am Telefon erhalten und bin in den verschiedenen Abteilungen gewesen, um dort zu lernen. Auch bei der dortigen Leiterin möchte ich mich gern bedanken, Frau Horstkötter-Starke. Sie hat sich sehr darum bemüht, meine Abschlüsse aus Guinea anerkennen zu lassen – leider erfolglos…

2017 habe ich mich an der Katholischen Hochschule Paderborn für die Fachrichtung Soziale Arbeit eingeschrieben. Leider habe ich nach insgesamt drei Semestern Studium eine Ablehnung meines Asylantrages erhalten. In dieser für mich schweren und hoffnungslosen Situation, in der ich mit der möglichen Abschiebung in mein Heimatland konfrontiert war, habe ich mein Studium zunächst abbrechen müssen. Daraufhin habe ich mich entschlossen, einen Anwalt zu Rate zu ziehen, der mir in meiner Situation helfen könnte. Nach sechs Jahren Aufenthalt und Hoffnung auf eine mögliche Aufenthaltserlaubnis in Deutschland waren alle meine Träume wie weggefegt. Um mir eine Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt zu eröffnen, hat Pfarrerin Sabine Sarpe mich im Namen des Presbyteriums im Kirchenasyl unter ihrem Dach willkommen geheißen. Sie hat mir Hoffnung und Schutz gegeben. Während der zwei Monate, die ich bei ihr und ihrer Frau Manuela unter einem Dach gelebt habe, habe ich einen wahren Geist der Toleranz, der Liebe und der Teilhabe erlebt. Nach diesen zwei Monaten des Kirchenasyls und der unablässigen Unterstützung der Stephanus-Kirchengemeinde wurde mir die Möglichkeit eingeräumt, eine Ausbildung zu beginnen, um wieder eine Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Daher habe ich das Studium zunächst beendet, um am Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg in Warburg eine Ausbildung als Erzieher zu beginnen. Jetzt bin ich schon im zweiten Jahr und möchte diese Ausbildung gern beenden und später in der Jugendhilfe arbeiten. Aber ich träume immer noch davon, eines Tages zu unterrichten. Zu meiner großen Freude und auch Überraschung wurde mir gerade von der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass ich eine Aufenthaltsgenehmigung erhalte. Darüber freue ich mich sehr!

Vielen Dank an alle, die diesen langen Weg mit mir mitgegangen sind!

Barry